Das Haus Louise von Marillac aus der Sicht eines Angehörigen

Demenzen haben viele Erscheinungsformen. Sie beginnen mit leichten Symptomen wie Vergesslichkeit oder Orientierungsproblemen. In fortgeschrittenen Stadien verlieren die Betroffenen zunehmend die Fähigkeit ein selbstbestimmtes Leben zu führen. Bei schwerer Ausprägung verliert sich die Sprache, treten massive Wahrnehmungsstörungen, Verlust der Mobilität oder Inkontinenz auf. Selbst die Nahrungsaufnahme kann durch Schluckstörungen massiv erschwert und potentiell lebensgefährlich werden.

Neben der reinen Pflege benötigt ihre Mutter oder ihr Vater auch Schutz vor sich selber. So werden beispielsweise Kindersicherungen am Herd, verschlossene Türen zum Treppenhaus zu vertrauten Lebensbegleitern. Vielleicht wird die Betreuung durch eine Tagespflege notwendig, während sie tagsüber ihrer Erwerbstätigkeit nachgehen. Irgendwann aber kommt der Tag, an dem sie sich eine persönliche Überforderung eingestehen müssen. Oder man macht sie darauf aufmerksam, dass der Pflegeaufwand nun die Möglichkeiten der Tagespflege übersteigt. Plötzlich muss alles neu organisiert werden. Die Optionen reichen vom „hol dir eine Polin ins Haus“ bis zur Unterbringung in einem Pflegeheim.

Gegen die Unterbringung in einer stationären Einrichtung gibt es viele Vorbehalte. Auf der Hand liegen die nicht unwesentlichen finanziellen Konsequenzen und der Widerstand des Erkrankten, der im fortgeschrittenen Alter nicht aus seiner vertrauten Umgebung gerissen werden will. Aber auch ihnen als pflegendem Angehörigen wird dieser Schritt schwer fallen. Sie werden es selber als „Abschieben“, als Verrat an einer ihnen nahestehenden Person empfinden. Aber sie haben die Verantwortung für deren Wohlergehen und müssen eine Entscheidung treffen, die allen Erfordernissen gerecht wird.

Das Konzept einer ambulanten Wohngemeinschaft kann einen guten Ausweg darstellen. Mutter, Vater oder Partner leben jetzt in einer anderen Wohnung, aber sie bleiben nach wie vor Bestandteil ihres Lebens. In der Wohngemeinschaft sind sie von der Sorge um die Pflege und um die Sicherheit entlastet. Diese schwere Aufgabe übernimmt der in der WG tätige Pflegedienst. Alles andere organisieren sie in und mit dem Angehörigengremium selbst. Es regelt die gerechte Verteilung von Aufgaben wie Großeinkäufe, Hinausstellen der Mülltonnen, Unterstützung des Pflegepersonals beim Reichen des Abendessens etc. Und neben diesen praktischen Tätigkeiten wird auch erwartet, dass sie möglichst oft einen Beitrag zum Leben der WG erbringen: Mit den Bewohnern reden, spielen, basteln, musizieren oder spazieren gehen. Klingt nach viel, ist es auch – aber keine Angst, gemeinsam schaffen Sie das!

Thomas Kneisel

Dieser Text erschien ursprünglich in "Unser Blättsche - Mitteilungsblatt Kleinostheim" am 21. Oktober 2015