Gesundheit für Alle - Ein Reformvorschlag für die Krankenversicherung in der Bundesrepublik Deutschland

Grundsätze

Die Krankenversicherung soll eine medizinische Versorgung im Krankheitsfalle sicher­stellen, die dem jeweils aktuellen Stand der medizinischen Technik genügt. Ihre Leistungen sollen einem möglichst breiten Anteil der Bevölkerung zur Verfügung stehen. Sie trägt die Kosten von nicht-trivialen Arznei- oder Hilfsmitteln, Arztkosten sowie stationärer oder nicht-stationärer Behandlungen. Nicht-trivial bedeutet alles, was eine nachgewiesene Wirksamkeit besitzt und der Verordnung durch einen Arzt bedarf. Alles außerhalb dieser Definition gilt als trivial und ist nicht Gegenstand der Krankenversicherung.

Die Krankenversicherung erhebt zur Deckung der anfallenden Kosten monatliche Beiträge von den Versicherten. Der Beitrag ist in zwei Teilbeträge aufgeteilt:

  1. Den persönlichen Vorsorgeanteil und
  2. den Solidaranteil.

Persönlicher Vorsorgeanteil und Vorsorgekonto

Der Vorsorgeanteil bildet die Basis für das persönliche Vorsorgekonto. Das Vorsorgekonto wird mit Hilfe des Vorsorgeanteils vom Versicherungsnehmer bis zu einem gesetzlich festzulegenden Maximalwert aufgefüllt. Sowohl die Höhe der monatlichen Beitragszahlung sowie der anzusparende Höchstwert sind einkommensabhängig. Jeder einzelne Versicherungsnehmer verfügt über ein eigenes Vorsorgekonto, über das nur er selber verfügen kann. Ist das Vorsorgekonto auf die Höhe des geforderten Maximalbetrags angespart, entfällt die monatliche Zahlung des persönlichen Vorsorgenanteils so lange, bis der Maximalwert durch Inanspruchnahme von Leistungen wieder unterschritten wird.

Solidaranteil

Grundsätzlich werden alle medizinischen Leistungen aus dem Vorsorgekonto bezahlt. Übersteigen die Behandlungskosten aber den verfügbaren Betrag, werden die restlichen Kosten aus dem zweiten Anteil der monatlichen Beiträge, dem Solidaranteil bestritten. Dies kann beispielsweise vorkommen, wenn bei einer chronischen Erkrankung nach einiger Zeit das Vorsorgekonto vollständig aufgebraucht ist oder wenn eine sehr teure Einzelbehandlung erforderlich werden sollte, beispielsweise eine Organverpflanzung.

Der Solidaranteil wird zur Deckung von Kosten bei jedem beliebigen Mitglied der Krankenversicherung verwendet. Die Höhe des monatlichen Beitrags ist ebenfalls einkommensabhängig. Er ist immer in voller Höhe zu erbringen. Dem einzelnen Versicherungsnehmer erwachsen aus der Inanspruchnahme der Solidarleistung keine Nachteile, z.B. Schulden, die später zu tilgen wären. Vorsorge- und Solidaranteil sind so bemessen, dass seine individuelle Belastbarkeit als bereits ausgeschöpft betrachtet werden.

Fragen und Antworten

Was bezweckt dieser Vorschlag?
Wir benötigen keine Krankenversicherung, die zwar das Kopfschmerzmittel bezahlt, jedoch die Anwendung neuester Erkenntnisse der Medizin aus Kostengründen verweigert (wer es anders sieht, kann nachprüfen, ob er sich eine Herztransplantation wirklich leisten kann). Gleichzeitig soll aber jeder im Rahmen dessen, was im möglich und zumutbar ist, einen Beitrag zum Funktionieren des System leisten. Jeder muss einen Beitrag leisten, aber keiner darf überfordert werden.
Die Aufspaltung in Vorsorgeanteil und Solidaranteil kommt mir bekannt vor.
Richtig. Das Prinzip ist ähnlich der Arbeitsweise kapitalgedeckter Lebensversicherungen. Auch hier wird ein Teil der Beiträge angespart, um später vom Versicherungsnehmer verbraucht zu werden, während ein anderer Anteil das Risiko eines frühen Todes bei einer voraussichtlich kleinen Anzahl von Versicherungsnehmern abdeckt.
Ist das nicht ein unsozialer, weil unsolidarischer Ansatz?
Es mag im ersten Moment wie das berüchtigte „wenn jeder für sich selber sorgt, so ist für jeden gesorgt“ aussehen. Tatsächlich ist aber ein „wenn jeder jedem hilft, so ist jedem geholfen“. Das heißt: Niemand bekommt etwas ganz umsonst. Ein zumutbarer Beitrag muss von jedem erbracht werden.
Warum nicht beim alten Modell bleiben?
Wie hier („Von Lotterien und Versicherungen“) dargestellt, ist es effizienter, wenn Leistungen, die von fast jedem irgendwann in Anspruch genommen werden auch von ihm selber getragen werden. Allerdings sind für die meisten Menschen gesundheitliche Probleme eine imaginäre Größe, zumindest solange sie noch nicht krank sind. „Das passiert mir schon nicht“ ist eine typische Denkweise. Es wäre daher zu viel erwartet, dass die Mehrzahl der Menschen freiwillig einen signifikanten Geldbetrag zur Seite legen würde. Das vorgeschlagene Modell der Krankenversicherung macht dieses Ansparen nun zu einer Pflicht. Für alles, was über dieses zumutbare Maß an eigener Vorsorge hinausgeht, tritt aber nach wie vor die Solidargemeinschaft ein.
Werden hier nicht wieder einmal die „Kleinen“ benachteiligt?
Das System weist in Form der einkommensabhängigen Beitragssätze und Obergrenzen einige willkürlich bestimmbare Parameter auf, mit deren Hilfe man die Belastung der Versicherungsnehmer auf ein für jeden akzeptables Niveau bringen kann. Für eine hohe Sozialverträglichkeit kann das System so gestaltet werden, dass das Vorsorgekonto von ganzen Familien genutzt werden darf, während Beiträge nur vom Hauptversicherungsnehmer eingezogen werden.
Führt das System zu Einsparungen im Gesundheitssektor?
Egal wie eine Reform unseres Gesundheitssystems aussehen wird, eines wird keine Reform jemals schaffen: Die Kosten dauerhaft zu senken. Gesundheit wird mit einem ungeheuren Aufwand im wörtlichen Sinn "erkauft". Zwar generiert der wissenschaftliche Fortschritt gelegentlich auch kostengünstigere Behandlungsmethoden, z.B. die minimal invasive Chirurgie. Meist geht es aber darum die Grenzen des medizinisch Machbaren zu verschieben und das bedeutet allzu oft auch Kostensteigerungen.
Gibt es im neuen System noch Bonuszahlung für jemand, der längere Zeit nicht krank war?
Bonuszahlungen als „Belohnung“ für längere Phasen ohne Krankheiten erübrigen sich. Werden keine Leistungen in Anspruch genommen, sinken nach einiger Zeit die monatlichen Beiträge automatisch auf das Niveau des Solidaranteils ab, sobald das Vorsorgekonto auf den vorgeschriebenen Maximalbetrag aufgefüllt ist. Werden bei der Einführung neuen Organisationsstrukturen. z.B. weitere Behörden benötigt? Das vorgeschlagene Konzept benötigt keine neuen organisatorischen Strukturen. Es ist vollständig innerhalb des existierenden Einzugssystems realisierbar.
Was macht die Krankenkasse mit dem angesparten Geld?
Was jede Versicherung damit macht: Investieren. Erzielte Gewinne könnten entweder zur Unterstützung der Risikoversicherung verwendet werden oder an die Versicherten ausgezahlt werden.
Was passiert mit einem angesparten Vorsorgeanteil im Todesfall?
Sollte nach dem Tod eines Versicherungsnehmers noch ein Restbetrag des Vorsorgeanteils vorhanden seine, ist dieser gemäß der gesetzlichen Erbfolge zu vererben. Da der Tod meist in fortgeschrittenem Alter nach längerer Krankheit erfolgt, dürften die meisten Vorsorgekonten am Ende eher „ausgeglichen“ sein.
Darf das Vorsorgekonto gepfändet werden?
Nein. Die im Vorsorgekonto angesparten Beiträge dürfen nur zum Zweck der Gesundheitsfürsorge verwendet werden und sind unpfändbar.
Wie soll der Übergang zum neuen System geschafft werden?
Aus der Sichtweise des neuen Systems ist unser gegenwärtiges Gesundheitssystem nur ein Grenzfall, bei dem 100% der Beiträge in den Solidaranteil gesteckt aber kein Vorsorgeanteil zum Aufbau eines persönlichen Vorsorgekontos erhoben wird. Eine Umstellung kann schrittweise erfolgen indem über eine Längere Zeit von Monat zu Monat der Vorsorgeanteil angehoben und der Solidaranteil im Gegenzug reduziert wird.
Sollte sich das System nicht bewähren, wäre in ähnlicher Form auch die Rückkehr zum alten Verfahren zu bewerkstelligen.
Lässt das System Raum für die private Krankenversicherungen?
Private Krankenversicherung können nach wie vor existieren. Wer auf Grund eines hohen Einkommens glaubhaft nachweisen kann, dass er seine komplette Gesundheitsvorsorge aus eigener Kraft bewältigen kann, dem ist auf Antrag ein Ausstieg aus dem System zu gewähren. Diese absichtliche Aufkündigung der Solidargemeinschaft bleibt aber nicht ohne Folgen für ihn: Eine Rückkehr wird es nicht geben.
„Mir geht das nicht weit genug...“
Mir eigentlich auch nicht! Unser gegenwärtiges Systems belastet einseitig die im Land produzierenden Firmen mit Sozialkosten. Eingeführte Waren werden hingegen nicht belastet. Dieser Wettbewerbsnachteil des inländischen Produktionsstandorts birgt das Risiko eines Wettlaufs nach unten bei den Sozialstandards. Vermeidbar wäre das, wenn etwa die soziale Absicherung aus einer höheren Mehrwertsteuer finanziert würde. Eine derart grundsätzliche Umgestaltung würde voraussichtlich am Widerstand interessierter Kreise scheitern. Man denke nur an die damit verbundene Abschaffung der privaten Krankenversicherung. Der hier unterbreitete Vorschlag ist weitaus moderater und sollte übergroße Widerstände vermeiden.
Ich hab da noch eine Frage...
Geht es ihnen auch so: Die entscheidenden Fragen stellt immer jemand anders? Wenn Sie ein gutes Gegenargument haben oder – noch besser – eine viel bessere Idee, bin ich nur eine E-Mail von ihnen entfernt.

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